Archiv Melsungen

Röhrenfurther Alphornbläser – „anno domini September 1985”

Am Anfang stand die Faszination der wunderschönen Klänge. Ich war damals 63 Jahre alt und besuchte eher zufällig einen Alphornbläser-Wettbewerb.   Dann kam der „Juchzer“: selbst bauen – selbst blasen. So wurde der „Juchzer“ auf  Papier gebracht und nach vielen Überlegungen und Diskussionen mit Fachleuten und Laien auf Holz übertragen.

Im Jahre 1987 war es soweit – das erste Alphorn wurde in Röhrenfurth gebaut. Es wurden Buchsen aus Mahagoniholz gedreht und zusammengeleimt. Für den Schalltrichter wurden zwei Schalen gefertigt, ebenfalls zusammengeleimt und mit dem Rohr verbunden. Die gesamte Länge betrug nun gut 3 m und das Versuchsstück war einteilig. Zur Zeit der Herstellung waren noch keine Kenntnisse über das Verhältnis Länge zu Tonart vorhanden. Das nächste Problem war das Mundstück. Es ist unvorstellbar wie viel „dumme“ Fachleute es gibt. Nach Anfrage in einem Fachgeschäft in Berchtesgaden wurde ich an die Schreinerei Biermaier in Bischhofswiesen verwiesen. Der Chef – selbst Alphornbauer und –bläser – hatte eine große Auswahl. Nun kam zur Freude die Qual der Wahl. Aber Ende gut – alles gut.

Eines Tages besuchte mich ein neugieriger Arbeitskollege – Roland Gernand aus Walburg. Er selbst ist Jagdhornbläser und wollte sein Können auch auf einem Alphorn versuchen. Die Leistung war gut, er war ja schon Fortgeschrittener. Beim weiteren Betrachten fiel ihm das ach so viel bestaunte Erstlingsstück aus der Hand. Der Schrecken war groß, es waren nun zwei Teile. Glück im Unglück. Bei der Schadensaufnahme stellten wir fest, dass eine schlecht geleimte Stelle den Sturz nicht überleben wollte. Nun keimte der Gedanke: warum nicht zweiteilig? Der Gedanke wurde in die Tat umgesetzt. Beidseitig wurde zusätzlich ein Stück mit jeweils einer Stahlbuchse, die gut ineinander zu schieben waren, angeleimt. Das Wunder war vollkommen. Die gesamte Länge betrug nun 3,40 m und ergab somit zufällig Tonart Ges-Dur. Später wurden die Alphörner auf 3,60 m verlängert und ertönen nunmehr in F-Dur.

1989 kam ich mit Karl Schneider, einem Bastler, ins Gespräch und konnte ihn zum Mitmachen überreden. Aus Fichtenholz, einem Brett von 6 cm Dicke, sägte er im bestimmten Profil zwei Teile, höhlte sie aus und leimte sie zu einem Rohr zusammen. Der Schalltrichter wurde in gleicher Weise gefertigt. Dieses Alphorn wurde gleich zweiteilig hergestellt.

Somit waren Aufbewahrungs- und Transportprobleme gelöst. Nun wurde geübt, geübt und geübt. 1990 kam Georg Steinert hinzu. Sein und auch alle folgenden Alphörner wurden in der zuletzt aufgeführten Weise hergestellt. Nun wurde wieder von vorn angefangen und geübt.

Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Am 23 03. 1991, zum 40 jährigen Jubiläum des VDK Röhrenfurth, war dank der Einladung durch den 1. Vorsitzenden Martin Lotzgeselle unser erster öffentlicher Auftritt.
                                                                                                                                                                                                                                     
Im Sommer1991 kam als vierter Bläser Philipp Westoll zu uns. Angesteckt von der damaligen Jazzwelle begeisterte er sich Ende der 50er Jahre für das Posaunenspielen, das er beim Studentenkarneval in England ausgiebig üben konnte. Das Alphorn stellte für ihn nun eine neue Herausforderung dar. Im Sommer 1991 waren wir anlässlich von Kabarettaufführungen mit Fernsehaufnahmen bei Köhler (Spottlicht-Bühne) in Schwarzenberg in das Programm aufgenommen worden. Im gleichen Jahr wurde unsere Bläsergruppe durch Georg Zens erweitert.

1993 konnten noch zwei Interessierte gewonnen werden. Günther Scholl, der in seinen jungen Jahren im Musikzug Malsfeld Trompete gespielt hatte, und Anita Westoll, die gänzlich ohne Vorkenntnisse war, fügten sich schnell in die Gruppe ein und hatten ihren ersten Auftritt bei der Eröffnung der Vierbuchenhalle am 13.10.1993.

Vervollständigt wurde die Gruppe durch Karl Schneider, der seinen 1994 versorbenen Namensvetter und Alphornbläser der ersten Stunde ersetzt und Gabriele und Claudio Morganti aus Helsa. Das Ehepaar Morganti als Jagd- und Waldhornbläser ist eine große Verstärkung für unsere Röhrenfurther Alphornbläser.

Wir sind in den folgenden Jahren bei vielen öffentlichen Veranstaltungen, wie Vereinsfesten, Konzerten, Stadt- und Gemeindefesten aufgetreten und werden sehr oft zu Familienfeiern engagiert. So waren wir in 1993 im Hessenfernsehen in der Sendung „Marktplatz“ zu sehen und zu hören. Wir wurden in den Spessart zu einem Alphornbläserwettbewerb und von der Stadt Melsungen zu einem Auftritt in das Haus des Gastes in deren Partnerstadt Bad Liebenstein im Thüringer Wald eingeladen. Kontakte nach Schwarzhausen (Thüringen) ließen und lassen uns immer wieder erleben, wie reizvoll auch Berufsmusiker des Eisenacher Theaters die wohltönenden Alphornklänge finden. Wir werden zur Teilnahme an gemeinsamen Alphornkonzerten dort und in Eisenach immer wieder eingeladen. Auf Einladung des Eisenbahnchores „Flügelrad“ nahmen wir an Konzerten im Kulturbahnhof Kassel teil.

Unser besonderer Stolz gilt unseren nunmehr 9 Alphörnern, die allesamt in Eigenbau entstanden, wobei nach Abschluss der Konstruktions- und Versuchsarbeiten für jedes Instrument ca. 100 Arbeitsstunden aufgewendet werden mussten.
 
Herbert Weber

 

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