Archiv Melsungen

Turn- und Sportverein Röhrenfurth 1904 e.V. Teil 2

Da Aufzeichnungen aus den Anfangsjahren nicht vorhanden sind und diese Schilderung zum größten Teil auf mündlicher Überlieferung beruht, so ist es nicht möglich, die Erfolge der damaligen Zeit sichtbar werden zu lassen. Als erste Aufzeichnung lesen wir aus dem Protokoll der Jahreshauptversammlung vom 6. Januar 1912: Jahresabschluß von 1911, Einnahmen 150,06 Mark, Ausgaben 107,30 Mark, in der Sparkasse zu Melsungen befinden sich jetzt 206,45 Mark, zu Händen des Kassierers 42,76 Mark. Die Neuwahl des gesamten Vorstandes ergab folgende Besetzung: 1. Vorsitzender Heinrich Grunewald, 2. Vorsitzender Gustav Zeidler, Kassierer Konrad Sohl, Schriftführer Andreas Wagner, Zeugwart Otto Schneider, Turnwart Wilhelm Schanze, Kassenrevisoren Justus Metz und Georg Döberitz.

In einer am 24. Februar 1912 abgehaltenen außerordentlichen Versammlung wurde aufgrund eines eingebrachten Antrages betreffs Austritt aus der Deutschen Turnerschaft und Beitritt zum Arbeiter-Turnerbund eine lebhafte Debatte geführt. Vertreter beider Verbände waren auf Einladung erschienen und referierten über Zweck und Ziel der Verbände. Da in dieser Versammlung keine Einigung erzielt werden konnte, wurde die Debatte auf den 9. März vertagt und die Versammlung geschlossen. Laut Protokoll vom 9. 3. 1912 beschloß die Versammlung einstimmig den Austritt aus der Deutschen Turnerschaft und mit 23 gegen 1 Stimme den Beitritt zum Arbeiter-Turnerbund. In der nächsten Versammlung am 30. 3. standen noch verschiedene Zweifelsfragen und Unklarheiten zur Debatte, die aber in gegenseitiger Aussprache geklärt wurden. Turngenosse Holzhausen streifte in einem kurzen Referat noch einmal den Werdegang des Vereins von seiner Gründung bis heute und stellte fest, welchen schönen Fortschritt der Verein zu verzeichnen hatte. Das Eintrittsgeld betrug damals 6,00 Mark, wurde aber kurze Zeit später auf 1,50 Mark herabgesetzt. Nachdem die neuen Statuten von der Versammlung angenommen und ein Versicherungsbeitrag von 0,35 Mark je Mitglied erhoben war, galt die endgültige Aufnahme in den Arbeiter-Turnerbund als vollzogen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, hauptsächlich Lokalfragen (der damalige Gastwirt Lukhard wollte sein Lokal dem Verein nicht mehr zur Verfügung stellen) wurden auch die unüberwindlich erscheinenden Probleme bald zufriedenstellend gelöst und die Vereinstätigkeit unter der Führung des rührigen Vorsitzenden Konrad Ebert in geordnete Verhältnisse gebracht.

Die Freude am Turnen, die Kameradschaft im Verein und die Ziele des Vereins führten neue Mitglieder herbei. Der Turnbetrieb erlebte unter der Leitung des zielstrebigen Turnwarts Wilhelm Schanze einen ungeahnten Aufschwung. Um die turnerischen Übungen gut und den Vorschriften entsprechend auszuführen, besuchten gute Turner die vom Turnkreis angesetzten Vorturnerstunden. Mit welchem Eifer und Interesse die damaligen Aktiven am Turnen teilnahmen, beweist allein die Tatsache, daß 25 Turnzeitungen von den Turnern bestellt und gelesen wurden, damit war fast allen Turnern der neueste und reichhaltige Übungsstoff zugänglich gemacht. Ein Versammlungsbeschluß aus dem Jahre 1912 besagt, jedes Vereinsmitglied bis zum 23. Lebensjahr ist verpflichtet, alle Mitglieder über 23 Jahre sollen am Turnunterricht teilnehmen. Die Turnschuhe beschaffte aus Billigkeitsgründen der Verein und wurden aus der Vereinskasse bezahlt, der Kaufpreis mußte aber innerhalb von drei Monaten an die Vereinskasse zurückgezahlt werden.

In diesem Jahr wurde zum erstenmal die Anregung zur Gründung eines eigenen Spielmannszuges gegeben. Zur Erlernung meldeten sich freiwillig Arnold Lohr, Ludwig Kiefer, Wilhelm Fehr und Karl Rose für das Pfeifen, Georg Schanze und Johannes Steffen zum Trommeln. Das Turnfest in Kirchhof am 18. August 1912 wurde von 25 Turnern besucht, die sich anerkennend über den turnerischen Geist und die Kameradschaft der Nachbargemeinde aussprachen. Am 1. Januar 1913 übernahm Wilhelm Schanze den Vorsitz, zum Turnwart wurde Heinrich Metz gewählt. Der Antrag auf Beschaffung eines Vereinsbanners wurde freudig begrüßt und von der Versammlung einstimmig angenommen. Ein Sonderfonds wurde eingerichtet und die freiwilligen Spenden beliefen sich an jenem Abend auf 90 Mark. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Wunsch geäußert, die Bannerweihe festlich zu begehen. Ein Festausschuß, bestehend aus folgenden Turngenossen, wurde gewählt: Heinrich Grunewald, Heinrich Biermann, Heinrich Fehr, Konrad Ebert, Konrad Sohl, Wilhelm Möller, Wilhelm Schanze und Hermann Schneider II. Diese acht Turngenossen hatten die Vorarbeiten für das erste Röhrenfurther Turnerfest in Angriff zu nehmen. Inzwischen wurde in den Übungsstunden fleißig geturnt, um beim Schauturnen auf dem im Juni stattfindenden Feste mit zu den Besten zu zählen. Die Vorbereitungen schritten gut voran, zahlreiche Einladungen waren an die Vereine bis in die Kasseler Gegend gesandt worden. Als Festplatz wurde die Wiese an der Melsunger Straße (ehemaliges Seligmannsches Grundstück) für 100 Mark Pachtgeld erworben. An den Aufbauarbeiten des Festgeländes beteiligten sich sämtliche Mitglieder, durch deren freiwillige Arbeitsleistungen erhebliche Geldmittel eingespart wurden. Die Zeit rückte näher, an einem sonnigen Junitag strömten Turner und Turnfreunde von überallher in unser Dorf, reihten sich mit ihren Fahnen und im weißen Turnerdreß im Festzug ein und gestalteten ihn zu einem wahren Triumphzug. Der Nachmittag war ausgefüllt mit turnerischen Vorführungen. Namhafte Turner der Kreisriege waren erschienen und stellten ihr Können an den Geräten unter Beweis. Das Fest nahm einen harmonischen Verlauf und war ein Erfolg für die Röhrenfurther Turnerschaft, die mit Stolz auf ihr neues geweihtes Banner und seinen Träger Christian Biermann blickten. Im Ort war ein solcher triumphaler Festakt noch nicht geboten worden. Den Vereinen Kehrenbach, Dittershausen und Harleshausen wurde zum Dank bei ihren Festlichkeiten ein Besuch abgestattet. Am 21. September des Jahres wurde noch einmal eine Rekrutenabschiedsfeier in geschlossener Gesellschaft gefeiert. Das Fest hatte mit seinen turnerischen Leistungen und mit seinem wirtschaftlichen Erfolg dem Verein einen großen Aufschwung gegeben. Das zeigte sich in den folgenden Monaten. Alle Aufbauarbeiten, alle Vorhaben wurden jedoch nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges vernichtet. Die Elite des Vereins zog ins Feld und kehrte stark dezimiert aus dem Weltringen zurück. Der erste Weltkrieg riß schmerzhafte Wunden in den Vereinskörper, 15 Turner ließen ihr Leben fürs Vaterland. Die Wirren des Krieges mit seinen vernichtenden Auswirkungen, auch auf sportlichen und kulturellen Gebieten, zerstörte den turnerischen Geist. Die letzte Versammlung vor dem Krieg fand am 31. 5. 1914 statt.

Viereinhalb Jahre später, am 5.1.1919, kamen die Heimgekehrten wieder zu einer Versammlung. Nach der Begrüßung der anwesenden Turngenossen und Ehrung der gefallenen Kameraden wurde zur Neuwahl des Vorstandes geschritten, den Vorsitz übernahm Gustav Zeidler, Kassierer wurde Justus Metz, Schriftführer Johannes Steffen, Turnwarte Arnold Lohr und Heinrich Metz. Anschließend wurden Besprechungen wegen der Lokalfrage mit dem Gastwirt Heinrich Wiegand geführt. Dieser stellte seine Lokalitäten dem Verein zur Verfügung. In dem geräumigen Saal fanden die Turner die rechte Stätte, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Neben das rein Turnerische trat auch die Pflege der Geselligkeit. Manch schönes Fest (Sommer-Ab- und Anturnen, Saalfeiern u.a.m.) fand hier statt. Im Zuge der weiteren Aufwärtsentwicklung wurde der Spielmannszug wieder ins Leben gerufen, der unter der Leitung des bewährten Musikzugführers Wilhelm Margraf aus Wollrode sich im Laufe der Jahre zum Glanzstück des Vereins emporarbeitete und bei allen festlichen Anlässen in den vordersten Reihen marschierte.

Im Sommer 1921 wurde das erste Bezirksgruppenturnfest nach dem Krieg hier abgehalten. Als Festgelände war die Wiese am Sportplatz für 150 Mark Pachtgeld von der Witwe Wenderoth erworben worden. Zum Auftakt des Festes zog am Sonnabenabend ein Fakelzug durch die Straßen des Dorfes. Ein starkes Aufgebot von Wetturnern war am Sonntag erschienen und rang im fröhlichen Wettstreit, vereint mit der Röhrenfurther Turnerschaft, um den Lorbeer. Dieses Fest, das eine Leistungsschau des Bezirks und der Vereine war, konnte als ein großer Erfolg für den Verein und als ein Erlebnis für das kleine Dorf Röhrenfurth bezeichnet werden.
1922 wurde dem Verein eine Gesangsabteilung angegliedert, die in den ersten Jahren durch die Sangesfreudigkeit einer großen Zahl Mitglieder emporblühte, aber am Ende der zwanziger Jahre, als der Fußballsport aufkam, wieder zum Erliegen kam. Die Vielgestaltigkeit und Vielseitigkeit des Vereinslebens forderte die Mithilfe zahlreicher Kräfte, aber auch bestimmte Voraussetzungen. Neben der eigenen Vereinsarbeit nahmen auch die Mitglieder an den Großveranstaltungen teil. Alljährlich wurden die Kreis- und Bezirksturnfeste abwechselnd in einem größeren Ort angesetzt. Alte Diplome reden davon eine deutliche Sprache, die Namen ehrenvoller Sieger legen Zeugnis ab für die von höchsten Idealen getragene Arbeit des Vereins. Die Namen derer aufzuführen, die für den Verein Ehre und Achtung erkämpften, ist im Rahmen dieser Schilderung nicht möglich, die Niederschrift würde zu umfangreich werden. Es war darum selbstverständlich, daß 1929 der Turnverein Jahn Röhrenfurth alle Freunde zur Teilnahme an seinem 25jährigen Bestehen am 25. und 26. Mai nach Röhrenfurth rief. Eine mustergültige Organisation hatte alle Vorbereitungen getroffen. Die Festtage rückten heran. Das Dorf glänzte in einem Schmuck wie wohl nie zuvor, denn die ganze Bevölkerung nahm an diesem Jubeltag teil. Zu dem Festkommers am Abend konnte das Festzelt die vielen Teilnehmer nicht fassen. Der 1. Vorsitzende, Heinrich Metz, überreichte an folgende 6 Mitbegründer des Vereins die Ehrenurkunde zur Ernennung zum Ehrenmitglied: Heinrich Grunewald, Konrad Ebert, Justus Metz, Wilhelm Möller, Andreas Wagner und Heinrich Biermann. Am Sonntag begannen um 8 Uhr die Wettkämpfe, an denen sichn über 150 Turner beteiligten. Der um 14 Uhr sich in Bewegung setzende Festzug war ein Erlebnis. Eine Musikkapelle, ein Trommlerkorps, über 27 Vereine mit 18 Fahnen und fast 1500 Teilnehmern, boten ein überwältigendes Bild. Auf dem Festplatz wurde auf besondere Weise der Verdienste des Vereins gedacht. Die Frauen überreichten eine Fahnenschleife. Die Glückwünsche des Arbeiter-Turnerbundes übermittelte Bezirksvertreter Hildebrandt. Nach dem Festakt zeigten die Spitzenturner der großen Zuschauermenge ihr Können. Höhepunkt des Tages bildete die Siegerehrung. In schönster Harmonie, in echter Turnerart waren die Jubeltage verlaufen und hatten dem Verein neben viel Arbeit aber auch reiche Anerkennung gebracht.

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