Archiv Melsungen

Die Schule zu Röhrenfurth Teil 4

Im November 1967 beschließt die Gemeindevertretung nach einer vorausgegangenen Bürgerversammlung den Anschluß an den Gesamtschulverband Guxhagen und die Einschulung der Klassen 5 bis 8 in die dortige Mittelpunktschule, wo bereits das 9. Schuljahr unterrichtet wird. Landrat Baier und Schulrat Caspritz versprechen alles daranzusetzen, daß Röhrenfurth bald zu einer zeitgemäßen Grundschule kommt. Im Dezember fahren Gemeindevorstand und -Vertreter, Lehrer und Bauingenieur Dippel als technischer Berater unter Leitung von Bürgermeister Ackermann nach Beverungen und besichtigen ein Werk, das Gebäude in Raumzellenbauweise herstellt, anschließend zu einer auf diese Weise gebauten Schule in Karlshafen. Durch die Fertigbauweise erhofft man einen schnellen Bau und eine wesentliche Verringerung der ursprünglich auf über 350 000 DM geschätzten Kosten. Heinz Hofmann, der Vorsitzende des Haupt- und Finanzausschusses, versichert, daß die Gemeinde alles tun wird, um das Ziel schnell zu erreichen, zumal ein entsprechendes Baugrundstück bereits vorhanden ist.

Am 16. November 1968 ist es endlich soweit: die innerhalb weniger Wochen im Pavillonbaustil errichtete neue Grundschule auf dem ehemals Nadler'schen Gelände an der Kreuzung Berg- und Ostwaldstraße wird in Anwesenheit zahlreicher Gäste eingeweiht und von 75 Grundschülern bezogen. Zu den Gesamtkosten von 223 000 DM erhält die Gemeinde vom Land 156 000 DM und vom Kreis 29 900 DM; die restlichen 37 100 DM trägt die Gemeinde selbst. Die aus dem vorigen Jahrhundert stammende alte Schule im Unterdorf soll verkauft werden, das 1902/03 erbaute zweite Schulhaus außer der Mietwohnung das Bürgermeisteramt aufnehmen, das dann auch nicht mehr aus nur einem Raum zu bestehen braucht.

Bei der Volkszählung Mitte 1970 stellt sich heraus, daß die Einwohnerzahl auf 1238 gestiegen ist (1967 = 1150 Einwohner), die Anzahl der Häuser von 209 in 1960 auf 264. Die Zahl der Schulkinder beträgt 81 (1971 = 85). Am 31. 7. 1971 wird Lehrerin Frl. Eichhorn auf eigenen Wunsch nach Obervellmar versetzt. Ihre Stelle übernimmt Lehrer Georg Buttstädt, der aus Wanne-Eickel kommt. Als Hauptlehrer Schröder am 31. 7. 1973 in den Ruhestand tritt, macht sich der überall herrschende Lehrermangel auch in Röhrenfurth bemerkbar, fehlen doch im Kreis Melsungen allein ca. 40 Lehrkräfte. Lehrer Günter Reichelt von der Grundschule Malsfeld wird mit 14 Unterrichtsstunden hierher abgeordnet. Lehrerin Birgit Rode von der Stadtschule Melsungen erteilt weiter 2 Stunden Textiles Werken. Zu dem Lehrermangel tritt die Schulraumnot infolge steigender Schülerzahlen.

Als ein Melsunger Elternbeiratsvorsitzender den Vorschlag macht, die Schule in Röhrenfurth aufzulösen und den Schulpavillon nach Melsungen zu versetzen, macht sich die Empörung der Bürger in Artikeln und Eingaben Luft. Der Schulelternbeiratsvorsitzende Portmann beruft am 19. 9. 1973 eine Versammlung ein, an der auch Landrat Baier und Schulrat Caspritz teilnehmen. Auf die besorgten Fragen der Elternschaft versichert der Landrat, daß weder der Magistrat der Stadt Melsungen noch der Kreis als Schulträger die Absicht haben, das Schulgebäude zu versetzen; vielmehr solle es als Kindergarten genutzt werden, sobald die Grundschüler in Melsunger Schulen untergebracht werden könnten. Schulrat Caspritz verspricht, sobald als möglich eine volle Lehrkraft zuzuweisen.

Mit Ende des Jahres 1973 hört der Kreis Melsungen auf zu existieren: im Zuge der Gebietsreform wird er mit den bisherigen Kreisen Fritzlar-Homberg und Ziegenhain zum Schwalm-Eder-Kreis zusammengeschlossen; neue Kreisstadt wird Homberg/Efze. Der bisherige Schulauf Sichtsbereich Melsungen wird umbenannt in "Schulaufsichtsbereich III des Schwalm-Eder-Kreises" und verbleibt zunächst im Gebäude der Melsunger Kreissparkasse, Kasseler Straße 44.

Die offene Lehrerstelle in Röhrenfurth wird am 1.3. 1974 durch die Lehrerin z. A. Frl. Karla Kühne besetzt. Lehrer Reichelt tritt nach 8monatiger Abordnung an seine Stammschule in Malsfeld zurück. Kinder und Eltern verabschieden ihn mit einer festlichen Kaffeetafel. Frl. Kühne übernimmt Klasse II mit voller Stundenzahl. Sie wohnt in Hess. Lichtenau und hat gerade in Waldau ihre 2. Staatsprüfung abgelegt. Auch die Schulleiterstelle wird wieder besetzt: Lehrer Buttstädt wird am 7. 3. 1974 zum Hauptlehrer ernannt.
In dieser Zeit der Umorganisation unternimmt der Elternbeirat mehrere Versuche, die Einschulung aller Kinder in Melsungen zu erreichen, wo im August die Förderstufe eingerichtet werden soll. Der Kreisausschuß verweist jedoch auf die Verabschiedung des Schulentwicklungsplanes, nach dem die Schulbezirke festgelegt und Röhrenfurth der Gesamtschule Guxhagen zugeordnet ist. Auch ein Antrag des Melsunger Magistrates und der Stadverordnetenversammlung bleibt erfolglos.

Im Juni 1974 führt die Schule die beim Schulsparwettbewerb gewonnene Busfahrt durch; sie geht durch den neuen Großkreis und berührt Homberg, den Schwarzenbörner Teich, das Knüllköpfchen, den Wildpark Knüll, Schwalm-stadt, Borken, Wabern und Felsberg.

Im Oktober 1974 stellt Schulrat Caspritz der am Monatsende nach Erreichung der Altersgrenze und 15-jähriger Dienstzeit in den Ruhestand tritt, auf der Schulleiter-Dienstversammlung in Morschen seinen Nachfolger vor: Rektor Hagedorn aus Homberg/Efze. Mitte Oktober heiratet Frl. Kühne den Referendar Robert Metz aus Kirchhof.

Auch 1975 gewinnt unsere Schule den Sparwettbewerb. An der Fahrt zum Frankfurter Zoo und Flughafen nehmen 77 Kinder und 3 Mütter teil. Schulrat Hagedorn wird zur Regierung nach Kassel versetzt, die Dienstgeschäfte übernimmt Schulrat Brendel. Am 10. September zieht die Schulabteilung aus dem Melsunger Landgrafenschloß in das Kreisgebäude nach Homberg. Zu Beginn des Jahres 1976 wird jedem Schulaufsichtsbereich ein Schulpsychologe zugewiesen; unseren Bereich betreut Psychologierat Grölz. Seine Sprechstunde hält er jeden Montag von 14-16 Uhr in der Gesamtschule Melsungen, Dreuxallee 28, Tel. 3550.

Zu Beginn des Schuljahres 1976/77 führt die Grundschule mit Genehmigung des Regierungspräsidenten die 5 Tage-Woche ein, ohne daß dadurch eine Unterrichtskürzung eintritt; Pfarrer Sippel übernimmt 2 Wochenstunden Religion in Klasse II. Im Oktober wird Schulrat Brendel zum Schulamtsdirektor ernannt. Anfang Oktober zieht das Schulamt nach Borken um.

Am 1.1. 1978 wird als Modell das "Staatliche Schulamt für den Schwalm-Eder-Kreis" im ehemaligen Amtsgerichtgebäude in der Krausgasse 30 in Borken eingerichtet und der staatlichen Abteilung des Landratsamtes in Homberg zugeordnet. Hauptabteilungsleiter wird Schulamtsdirektor Harbusch. Das Staatliche Schulamt hat die Aufsicht über alle Grund-, Haupt-, Real-, Sonder- und Gesamtschulen, ebenfalls über die Gymnasien und Berufsschulen; dem Hauptabteilungsleiter unterstehen 4 Schulamtsdirektoren für die einzelnen Schulformen, 1 Jurist, 3 Schulpsychologen, 2 Sachbearbeiter und 2 Schreibkräfte.

Beim Schulsparen führt die Sparkasse eine Änderung ein: da unsere Grundschule die als Preis ausgesetzte Busfahrt seit Jahren mit großem Vorsprung gewinnt, läßt das Interesse der anderen Schulen immer weiter nach; um die Chancengleichheit zu vergrößeren, erhält von nun an jede beteiligte Schule 3 % des gesparten Geldes. Demzufolge bekommen wir im Juli 1978 226 DM ausbezahlt. Zusammen mit den 100 DM, die die Kirmesburschen für die Beteiligung am Festzug gestiftet haben, reicht der Betrag annähernd für die Busfahrt am 17.7.1978 zur Wasserkuppe, der Fuldaquelle und dem Kreuzberg. Im gleichen Monat werden die Bundesjugendspiele durchgeführt, an denen sich 45 der über neun Jahre alten Schüler beteiligen. Sie erringen 24 Sieger- und 2 Ehrenurkunden. Die Ehrenurkunden erhalten Klaus Reinbold (234 Punkte) und Bert Weber (248 Punkte), beide Geburtsjahrgang 1969.

Mit Beginn des Schuljahres 1978/79 sinkt die Zahl der Schüler auf 63, während es z. B. 1975 noch 80 waren. Im November bekommt Frau Metz Mutterschaftsurlaub. Als Vertretung erhält Frau Wenderoth aus Beiseförth einen Lehrauftrag mit 21 Wochenstunden, von der Stadtschule (Schloth) in Melsungen wird die technische Lehrerin Frau Lohse-Schreiter aus Haldorf mit 5 Wochenstunden abgeordnet, Pfarrer Sippel erteilt im Rahmen seines Gestellungsauftrages weiterhin 2 Wochenstunden Religionsunterricht - somit hat die Klasse keinen Stundenausfall. Anfang Januar 1979 fällt ungewöhnlich viel Schnee, die Straßen sind teilweise unpassierbar, die Weihnachtsferien werden um 3 Tage verlängert. Im März werden 14 Schulanfänger angemeldet. Nach den Osterferien nimmt Frau Metz, deren Tochter Antina im Januar geboren wurde, ihren Dienst wieder auf, was von allen freudig begrüßt wird. Wegen ihres Säuglings stellt sie einen Versetzungsantrag nach Hess. Lichtenau, ihrem Wohnort. Zum Ende des Schuljahres erfolgt ihre Versetzung in den Werra-Meißner-Kreis. Sie scheidet ungern. Kinder und Eltern bedauern ihren Fortgang sehr und verabschieden sie mit einer festlichen Kaffeetafel. Ihre Stelle wird am 1. 8. 1979 von dem Lehrer Heinz Kunzendorf übernommen, der zuletzt 4 Jahre an der Sonderschule für Lernbehinderte in Melsungen unterrichtet hat. Anfang Dezember führt der im Oktober neugewählte Elternbeirat einen Bastelabend für Weihnachtsschmuck durch. Auch ein Gymnastikkurs "Mütter turnen mit den Kindern" wird angeboten, der so regen Zuspruch findet, daß er aufgeteilt werden muß. Im Mai 1980 teilt die Schulverwaltung mit, daß die Stadt Melsungen beabsichtige, neben dem Feuerwehrgerätehaus auf der Grünfläche der Schule eine Mehrzweckhalle zu bauen. Nach Rücksprache mit dem Elternbeirat stimmt die Schule der Abtretung des Geländes unter gewissen Vorbehalten zu. Der Bau wird jedoch aus finanziellen Gründen zurückgestellt und das Gasthaus am Bahnhof als Dorfgemeinschaftshaus eingerichtet.

Am 26. 6. 1980 stirbt der Hauptlehrer i.R. Willi Schröder in Kassel nach einer Operation und wird am 2. Juli unter großer Anteilnahme der Röhrenfurther Bevölkerung, des Chores und der Kollegenschaft auf dem neuen Friedhof in Melsungen zu Grabe getragen.

An einem freien Sonnabend im Juni malen zahlreiche freiwillige Schüler die von den Mitgliedern des Elternbeirates Sohl, Helmke und Deist auf dem Schulhof vorgezeichneten Spielfelder, -kreise und Hüpfkästen bunt aus. Die Schulfahrt im Juli führt nach Hann. Münden zum Rathaus und zum Weserstein, anschließend in den Märchenzoo Ziegenhagen. In den Sommerferien werden alle Fenster der Schule von außen neu gestrichen und der Fußbodenbelag an einigen Stellen repariert. Auch die Wandschiebetafel in Klasse II wird neu verschiefert. Auf der Schulwiese stellt der Elternbeirat im Oktober 2 Fußballtore auf. Die Kosten dafür, wie auch für die Farben und Pinsel, die zum Bemalen des Schulhofes benötigt wurden, stammen aus der Sonderaktion "Kinderfreundlicher Schulhof". Im Dezember beteiligen sich die Kinder an den Adventsandachten, die Pfarrer Knuth in der Kirche abhält.

Zu Beginn des Schuljahres 1981/82 beträgt die Schülerzahl 41. Am 3. 9. 1981 muß das Zylinderschloß der Schultür, wie im Jahr zuvor, mitsamt den Türscheiben erneuert werden, da es verstopft und damit unbrauchbar gemacht worden war. Der Schaden beläuft sich auf 769 DM, die der Steuerzahler zu tragen hat, da die Polizei den Übeltäter nicht ermitteln kann.

Am 18. September wird der neue Elternbeirat gewählt. Im November werden den betroffenen Schulen im Rahmen des Anhörungsverfahrens die Vorschläge zur Fortschreibung des Schulentwicklungsplanes zugestellt. Die unsere Schule betreffenden Passagen lauten folgendermaßen:
"Die Zusammenlegung der Grundschulen Körle und Melsungen-Röhrenfurth ist notwendig. Folgende Organisationsform wäre vorzuschlagen: 1. und 2. Schuljahr wird an beiden Schulen, das 3. und 4. Schuljahr in Körle beschult." "Die Zuordnung der Schüler des Stadtteils Melsungen-Röhrenfurth an die Gesamtschule stellt den Bestand der Gesamtschule Guxhagen zahlenmäßig nicht unbedingt in Frage. Die Zuordnung dieser Grundschule zur Gesamtschule Guxhagen muß aber wegen den mit dem Kreis Kassel-Land getroffenen Vereinbarungen erhalten bleiben."

Daraufhin tagt der Elternbeirat am 14. 12. 1981 und am 5. 1. 1982. Gemeinsam mit dem Ortsbeirat wird am 13. 1. 1982 im Dorfgemeinschaftshaus eine Versammlung durchgeführt, um die Meinung der Eltern zu der vorgeschlagenen Änderung zu hören. An der starken Beteiligung ist die Verbundenheit der Bürger mit ihrer Schule zu erkennen. Während der 1. Kreisbeigeordnete Baier als Schuldezernent des Kreises und Schulamtsdirektor Brendel als Vertreter des Staatlichen Schulamtes die Umschulung des 3. und 4. Schuljahres nach Körle befürworten, unterstützen alle anderen Versammlungsteilnehmer einmütig den Wunsch des Eltern- und Ortsbeirates, die Schule so zu belassen wie sie ist, zumal in wenigen Jahren die Schülerzahlen wieder stark ansteigen werden, was die Statistik ausweist. Ortsvorsteher Hofmann und Elternbeiratsvorsitzender Sohl fordern nach lebhafter Debatte den Kreis als Schulträger auf, alles zu tun, um dem Elternwillen Rechnung zu tragen und die Röhrenfurther Grundschule in der jetzigen Form bestehen zu lassen. Sollte allerdings eine Umschulung nach Körle unumgänglich sein, müsse festgeschrieben werden, daß
1.    das 1. und 2. Schuljahr auf jeden Fall in Röhrenfurth bleibt,
2.    das 3. und 4. Schuljahr bei Erreichung einer Gesamtschülerzahl von ca. 50
wieder in Röhrenfurth beschult wird, wenn dies dann immer noch der Wunsch der Eltern sein sollte.
Dies sicherte der Schuldezernent zu.

Am 14. Januar findet eine Kreisversammlung der GEW in Melsungen statt, auf der beschlossen wird, sich für die Röhrenfurther Belange einzusetzen. Auch der Melsunger Magistrat will dafür eintreten, daß unsere Schule in ihrer derzeitigen Form erhalten bleibt; er sähe sogar gern, daß die Grundschulkinder aus Emp-fershausen nach Röhrenfurth kämen. Sollte aber den Wünschen vom Kreis nicht entsprochen werden, dann besteht Melsungen darauf, daß das 3. und 4. Schuljahr in Melsunger Schulen unterrichtet wird, wie das auch im Grenzänderungsvertrag festgeschrieben worden ist.

So schließt sich nun der Kreis, wenn Röhrenfurth in diesem Sommer sein 800-jähriges Bestehen feiert; wie der Anfang liegt auch die Zukunft der Röhrenfurther Schule im Ungewissen Dunkel.

Georg Buttstädt

Zurück