Archiv Melsungen

Die Schule zu Röhrenfurth Teil 2

Die Geburtsjahrgänge 1912 und älter. Rechts Lehrer Ackermann. Im Fenster sitzend Frau Riemenschneider.
Im Dezember 1920 legt Riemenschneider seine 2. Lehrerprüfung ab. Im Februar 1921 muß die Schule wegen zahlreicher Erkrankungen an Scharlach und Mumps für 1 Woche geschlossen bleiben.

Am 15.111922 wird der"Trennungsvertrag zwischen dem Kirchen- und Schulvermögen in Röhrenfurth" geschlossen. Die Schule wird als eine evangelische Bekenntnisschule anerkannt. Die Trennung des Kirchen- und Schulamtes wird für den 1. 4. 1922 ausgesprochen; die Auseinandermessung der Grundstücke erfolgte am 7. 9. 1923.

Am 1. 11.1923 wird die Schulaufsicht dem Kreisschulrat Suchsdorf übertragen, der ein Jahr später von Schulrat H. Schmidt aus Kassel abgelöst wird.

Im Februar 1929 sinkt das Thermometer auf -27 Grad und die Wasserleitung im Schulhaus friert bis in den April hinein zu.
Ende 1933 wird der Schule erstmals eine Handarbeitslehrerin zugewiesen, die Gewerbelehrerin Thea Harberg; ihr folgt im April 1934 die technische Handarbeitslehrerin Gertrud Raßner aus Kassel; für 2 Wochenstunden erhält sie eine jährliche Vergütung von 100 RM. Als sie Ende 1935 wegen Heirat aus dem Dienst scheidet, folgt ihr Frau Hanna Kürschner aus Marburg/Lahn.
Die Zahl der Schüler sinkt von 142 zur Jahrhundertwende bis 1914 auf 91 ab, steigt in 1920 auf 112, erreicht ihren Tiefstand 1929 mit 74 Schülern, steigt aber dann auf 148 in 1936. Nun wird eine 3. Lehrerstelle beantragt und als Lehrerinstelle genehmigt. Ostern 1937 wird die neuerrichtete Stelle von der Lehrerin Frl. Mathilde Heuckeroth übernommen. Ebenfalls am 1.4. 1937 wird die 1. Lehrerstelle auf Verfügung des Regierungspräsidenten in Kassel in eine Hauptlehrerstelle umgewandelt und Lehrer Lange am 1. August zum Hauptlehrer ernannt. Als er im Oktober des nächsten Jahres auf eigenen Wunsch in den Ruhestand tritt, geht die Hauptlehrerstelle auf Antrag der Gemeinde, die kein neues Schulhaus bauen möchte, wieder ein. Lehrer Riemenschneider, der seit 1919 hier unterrichtet, wird 1. Lehrer, Frl. Heuckeroth übernimmt die 2. Stelle; die 3. Lehrerstelle entfällt, obwohl im Herbst 1939 130 Kinder die Schule besuchen (Oberstufe 49, Mittelstufe 57, Unterstufe 24).

In den Osterferien 1939 wird die Lehrerwohnung modernisiert: die bisherige Eimeranlage wird durch ein Spülklosett ersetzt. Im Juni 1939 geht Frl. Heuckeroth nach Körle, hierher kommt Lehrer Julius Volkwein aus Dagobertshausen. Den Handarbeitsunterricht erteilt als Laienkraft Witwe Anna Elisabeth Möller. Schulrat Schmidt ist vor einigen Jahren von Schulrat Gonnermann abgelöst worden.
Als im kalten Winter 1940 alle Wasserleitungen im Ort eingefroren sind, versorgen sich die Einwohner aus der Fulda und dem Mühlengraben mit Wasser. Anfang des Jahres wird die Schule wegen Kohlenmangels für einen Monat geschlossen. Ende 1940 muß Lehrer Volkwein den eingezogenen Kollegen Albrecht in Empfershausen vertreten, bis er selbst im Dezember einberufen wird. Nun versorgt Lehrer Riemenschneider nicht nur die ganze Schule, er erteilt auch jeden Montag in Empfershausen Vertretungsunterricht. Im April 1941 wird Volkwein reklamiert, muß aber jede Woche an 3 Tagen nach Empfershausen. Im Februar 1942 wird er erneut eingezogen. Mit Beginn des Sommerhalbjahres wird die Schulhelferin Christel Schölten zugeteilt, die die Mittel- und Oberstufe übernimmt. Im August 1942 endet die Vertretung in Empfershausen. Im März 1943 heiratet die Schulhelferin den damaligen Oberleutnant Zimmermann aus Röhrenfurth und scheidet gegen Ende des Jahres aus dem Schuldienst aus. Vom Herbst 1943 bis Weihnachten 1944 ist die Schulhelferin Ursula Stein aus Hofgeismar hier tätig.

Der Fliegerangriff auf Kassel am 22. 10. 1943 erschreckt die Bevölkerung zutiefst. Viele Väter, Brüder und Söhne fallen im Kriege, geraten in Gefangenschaft, werden verwundet oder vermißt. Lehrer Riemenschneider muß den betroffenen Familien die Hiobsbotschaft überbringen, was ihn seelisch stark belastet; ferner hat er Flüchtlinge, Ausgebombte, Evakuierte und Vertriebene zu betreuen und ist für die Kohlenverteilung zuständig. Der Schulunterricht erleidet Störungen vieler Art: Fliegeralarm, Erntehilfe, Sammlungen, Kartoffelkäfersuche und vieles andere mehr. Im Februar 1944 kommt die Lehrerin Leni Schreiner aus Oberzwehren. Zu dieser Zeit erhielt der erwachsene Normalverbraucher eine Zuteilung von 318 Gramm Brot täglich. Im November wird der Verbrauch von elektrischem Strom stark eingeschränkt, Brennholz muß sich jede Familie selber schlagen. Anfang 1945 geht die Schulhelferin Stein nach Hofgeismar zurück, für sie wird die Schulhelferin Rammacher aus Saarbrücken zugewiesen. Als mit dem Waffenstillstand am 8. Mai 1945 der 2. Weltkrieg beendet wird, hat Röhrenfurth 34 Gefallene und 21 Vermißte zu beklagen.

Die Amerikaner besetzen das Dorf. Auf Anordnung der Militärregierung wird die Schule geschlossen, Lehrer Riemenschneider seines Amtes enthoben und verhaftet. Im August kommt er zur Überprüfung in ein Internierten-Camp. Lehrer Volkwein ist in Kriegsgefangenschaft. In dieser Zeit gehen viele Bücher, Karten, Lehrmittel, Belege, Pläne, Unterlagen und Akten verloren oder fallen der Entnazifizierung zum Opfer.

Am 1. Oktober 1945 darf die Volksschule Röhrenfurth den Unterricht wieder aufnehmen. Lehrer Holzhauer und die Schulhelferin Frl. Haiverscheid unterrichten 152 Kinder. Wenig später erhält Lehrer Holzhauer eine Rektorenstelle in Melsungen und Frl. Haiverscheid muß die Schule allein versorgen. Am 1. November wird der Laienlehrer Berthold Reimann aus Melsungen mit der Schulleitung beauftragt; nun kann wieder voller Unterricht erteilt werden. Im Gasthaus Welke findet am 23. Dezember eine große Schulweihnachtsfeier statt. Lehrer Reimann scheidet im April 1946 freiwillig aus dem Schuldienst aus, um wieder in seinem Zivilberuf zu arbeiten. Lehrerstudent Günter Möller wird am 1. Mai mit der Führung der Schule beauftragt. Mitte November wird Lehrer Riemenschneider durch das Schulamt in Melsungen wieder eingestellt und übernimmt die Leitung. Im gleichen Monat scheidet Frl. Haiverscheid aus dem Dienst aus. Anfang Dezember tritt die außerplanmäßige Lehrerin Hildegard Christof aus dem Sudetenland ihren Dienst an. Riemenschneider muß auf Anordnung des Großhessischen Staatsministeriums im Januar 1947 erneut ausscheiden, weil ihm die Zulassung der Militärregierung fehlt. Im März kommt Lehrer Theodor Wenderoth aus Mosheim an die Schule und zieht im Sommer mit seiner Familie in das Schulhaus II ein. Lehrer Volkwein kehrt aus der Kriegsgefangenschaft zurück und verzieht nach Hilgershausen. Lehrer Riemenschneider bekommt im Juli 1947 die Schulleitung von Schulrat Sternberg übertragen und wird zum Hauptlehrer befördert. Die Schule wird vierklassig mit 3 Lehrkräften. Die Schülerzahl beträgt im Oktober 184, davon in 1 und 2 = 53, in 3 = 36, in 4 und 5 = 45, in 6 bis 8 = 50 Kinder. Bei nur 2 Schulsälen und 3 Lehrkräften muß wechselweise auch nachmittags unterrichtet werden. Im März 1948 geht Frl. Christof zur Weiterbildung nach Frankfurt. Ihre Stelle übernimmt im Mai die Lehrerin Frl. Marta Fröhlich aus Budweis, die im Dezember 1950 mit Herrn Leberl getraut wird.

Die Not und das Elend der Kriegs- und Nachkriegsjahre machen sich durch mancherlei Gesundheitsstörungen besonders bei der Jugend bemerkbar. Die Tuberkulose greift um sich. Durch amerikanische Maßnahmen werden Schulspeisungen eingerichtet. Dadurch wird der Kalorienwert der täglich auf Lebensmittelkarten zugewiesenen Rationen um durchschnittlich 380 Kalorien erhöht. Die Gemeinde stellt im Bürgermeisteramt einen Raum zur Verfügung, in dem die Schulspeise gekocht werden kann. Die Zubereitung übernimmt Frau Schilling, die Austeilung erfolgt um 10 Uhr auf dem Schulhof oder Klasse III. An der Speisung nehmen täglich 60 bis 70, zeitweise bis 90 Kinder teil. Sie zahlen anfangs 15, später 10 Pfennig Unkostenbeitrag, soweit sie nicht als Wohlfahrtsempfänger oder Kriegerwaisen von der Zahlung befreit sind. (Unkosten entstanden durch Transport, Kochfrau, Gerätebeschaffung, Heizmaterial und Raummiete.) Die durch Amerika gelieferten Speisen selbst waren kostenlos. Als sich nach der Währungsreform am 20. Juni 1948 die allgemeine Lage bessert, die Arbeitslosigkeit abnimmt und die Rationierung aufhört, wird die segensreiche Speisung, die im Oktober 1947 begonnen hat, im Juli 1950 eingestellt.

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