Archiv Melsungen

Die Kirche zu Röhrenfurth Teil 2

Näheres über unsere Kirche erfahren wir aus der Vorbeschreibung zum Lager-, Stück- und Steuer-Buch der Dorfschaft Röhrenfurth aus dem Jahre 1744. Da heißt es in § 5 über "Kirche und jus patronatus: Eine Kirche ist alhier, worin der Diaconus zu Milßungen als dermahliger Prediger bey der Mutter Kirche zu Schwarzenberg nur in den Fasten und auf die Festtage die Predigten zu halten schuldig, die Son und Bethtagspredigten aber müßen sie in der Schwarzenberger Kirche hören, wobey sie eingepfarrt seyn, das jus patronatus stehet Alier-gnädigster Herrschaft zu".

Die Röhrenfurther Kirche besaß damals weder Kirchen- noch „Kasten"-Güter, auch kein eigenes Pfarrhaus. Über die Besoldung des Pfarrers lesen wir:". . . an Besoldung bekomt ein derzeitiger Prediger 2 Virtl. Korn und 2 Virtl. Hafer so demselben von denen von Riedesel legiret worden. An accidentien alß:
1    Von einer alten Persohn zu begraben    1 2/3 Rthl.
2    Von einer Jungen pers.                            1 Rhtl.
3    Vor eine Proclam- und Copulation         1 2/3 Rthl.
      desgl. 1 Schniptuch und 1 Huhn
      desgl. von der Hochzeit ein Stück Rintfleisch
4    Von einem Kindtaufen                              8 Alb.
5    Von einer Kirchenbuße abzunehmen     1 Rthl.
6    Von einem unehel. Kind zu taufen          1 Rthl.
7    Vor ein Gevatterzeügnüs                         8 Alb.
8    Vor ein Geburthschein                             2 Alb.
9    Vor die Güther proclamation                   2/3Rthl."


Im Jahre 1829 erhielt der Melsunger Pfarrer Walper für seine in Röhrenfurth gehaltenen Predigten 40 Rthl. von der Gemeinde. Diese erhob von den Einwohnern je Quartal 10 Rthl. und 7 Alb. "nach der Seelenzahl". Welche Naturalabgaben noch zu entrichten waren, ist nicht bekannt. Am längsten hat sich die Naturalabgabe der "Gründonnerstagseier" erhalten. Die Konfirmanden hatten jeweils vor der Konfirmation je 1/2 Steige Eier, später den Geldwert dafür, dem Inhaber der Pfarrstelle II ins Pfarrhaus (damals in der Rotenburger Straße) abzuliefern. Erst Anfang der fünfziger Jahre ist diese Abgabe abgelöst worden. Bis zum Beginn der dreißiger Jahre erhielt der Pfarrer auch für Beerdigungen eine Barvergütung, deren Höhe sich danach richtete, ob es eine kleine oder große "Leiche" gewesen war.

Das Jahr 1772 war für die damalige evangelische Kirchengemeinde unseres Dorfes ein besonderes Jahr. Die bisherige Kirche war zu klein und vermutlich auch zu alt geworden. Nachdem die Genehmigung des "Hochfürstlichen Conßistoriums" in Kassel erteilt worden war, wurde die alte Kirche abgebrochen; das Holz und die brauchbaren Ziegeln verkaufte man für insgesamt 20 Rthl. und 21 Albus.

Dann begannen die Bauarbeiten an derselben Stelle, wo auch die alte Kirche gestanden hatte. Sie sollten 9 Jahre, von 1772 bis 1781 dauern. Während all dieser Jahre gingen die Röhrenfurther nach Schwarzenberg zur Kirche. Die neue Kirche, ein Hallenbau aus Buntsandstein mit den Außenmaßen von 8,60 x 13,15 Meter, wurde am gleichen Platz wie die bisherige errichtet, nur größer. Dadurch mußte der Kirchhof (Totenhof) verkleinert und einige Tote umgebettet werden. Auf ihre Gebeine stieß man bei den Ausschachtungsarbeiten zum heutigen Gemeindesaal in einem "Sammelgrab". Auch als 1965 die Kirche an die Heizung des neuen Gemeindesaales angeschlossen wurde, entdeckte man im Kircheninneren ein Grab, in dem vermutlich eine Mutter mit ihrem Neugeborenen beigesetzt wurde. Eine Umbettung nahm man nicht vor.
Die Baukosten für die neue Kirche betrugen insgesamt 1556 Reichsthaler und 21 Albus, die durch Spenden und Darlehen finanziert wurden.

Im einzelnen handelte es sich um:
Eine Darlehensaufnahme in Höhe von    770 Rthl.
Eine Kollekte der Kirchen im Bereich des Hochfürstl. Conßistoriums    607 Rthl.      8 Alb.    2 Hl.
Erlös aus dem Verkauf des Materials der alten Kirche    20 Rthl.    21 Alb.
Spenden der Röhrenfurther Einwohner und von Freunden der Kirche    60 Rthl.    13 Alb.    4 Hl.
Spende der Freiherren von Riedesel    10 Rthl.
Umlage aufgrund der Viehbestände in Röhrenfurth    73 Rthl.
Insgesamt        1541 Rthl.    10 Alb.    8 Hl.

Von dem aufgenommenen Darlehen konnten nach Fertigstellung des Baues 600 Reichsthaler wieder zurückgezahlt werden. Für alle Arbeiten holte man auswärtige Handwerksmeister, nur Kleinigkeiten durften die Röhrenfurther Handwerker erledigen, sogar die Fuhren für das Material waren an den Melsunger Fuhrunternehmer Wilhelm Cothe vergeben worden. Die behauenen Sandsteine, wie Altarstein, Ecksteine, Fenstergewinde, Türgewinde, Sohlbänke und Fußbodenplatten lieferte Hermann Freudenstein aus Grifte. Die Maurerarbeiten führte Petrus Koch, die Zimmerarbeiten Werner Koch aus Melsungen aus, die Schreinerarbeiten Martin Naumann und die Weißbinderarbeiten Nicolaus Saul.
Rechnungsführer für die Arbeiten waren der Röhrenfurther Grebe (Bürgermeister) Johannes Hilgenberg, sowie Johannes Schantze und Hans Curth Bettenhausen.

Die querliegenden Deckenbalken sind an einem Längsträger angehängt, der aus einer besonders starken Fichte aus dem Thüringer Wald gehauen wurde. Auch nach über 200 Jahren zeigt er noch keine Verwitterungserscheinungen. Der Transport mit Pferdefuhrwerken wird wohl einige Wochen gedauert haben.
Der Innenraum, noch ohne Emporen, mit einem einfachen Altarstein und dem Taufstein in seiner Nähe, war ohne jeden Schmuck. Ein großer Ofen sorgte für Wärme in den Wintermonaten.

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