Archiv Melsungen

Mühlen in Röhrenfurth

Eine Mühle gab es in Röhrenfurth bestimmt schon in sehr früher Zeit. Die im Salbuch von 1575 genannte Röhrenfurther Flurbezeichnung "Wasserrad" läßt auf die Existenz einer Mühle schließen.

Näheres erfahren wir darüber im Jahr 1711 aus der "Taxirung der Häuser zu Röhrenfurth", in der zwei Mühlen genannt sind. Da war zunächst die von Johannes Sinning betriebene Mahlmühle, von der es heißt: "1 Mühle ist Neu und noch nicht außgebauet" und in einem Zusatz ". . . des Winters frieret sie ein und des Sommers mangelt das Waßer dergestalt daß er des Tages kaum 2 bis 4 stunde mahlen könnte". Dreiunddreißig Jahre später ist die Mühle etwas ausführlicher beschrieben. Es handelt sich um "eine Mahlmühle mit einem Oberschlägtigen Rade, so die erblich zustehet. Hat wenig Waßer und hält einen Sammelteich, kan bei ziemlich Waßer in 24 stunden 20 ml (Malter) mahlen, weilen es aber oftmahlen an Waßer gebricht so werden etwa des Jahrs hindurch 80 Virtl (rund 190 Zentner) frucht zum Profit. Gibt jährl. 27 Alb. Waßergeld an die von Riedesele".

Die Mühle war zunächst mit nur einem Mahlgang -bestehend aus einem Bodenstein und dem sich darüber drehenden Läufer- ausgerüstet. Bald kam ein zweiter "steinerer" Mahlgang hinzu, die dann beide durch stählerne Walzenstühle ersetzt wurden. Auch ein Dieselaggregat half später aus, wenn die Wasserkraft nicht ausreichte. Hatte der Müller die Mahlsteine noch mit der "Balancierhaue" selbst geschärft, mußten die Walzen der Walzenstühle in die Fabrik zum Schärfen gebracht werden.

Im Zuge des Mitte der 50er Jahre einsetzenden "Mühlensterbens" legte auch der Röhrenfurther Müller seine Mühle nach fast 250-jährigem Bestehen endgültig still.

Im Jahre 1958 verkaufte er die Mühleneinrichtung und das Mühlrad, zum Teil an den Schrotthändler. Die "klappernde Mühle am rauschenden Bach" war ein Opfer des Fortschritts geworden.
Der Mühlenteich ist wie man aus diesen beiden Beschreibungen entnehmen kann, nach 1711 aber vor 1744 angelegt worden. Er war zugleich Feuerlöschteich und lieferte das Wasser für Menschen und Vieh der umliegenden Häuser, vor allem der höher gelegenen, soweit kein eigener Brunnen vorhanden war. Das "Dichgäßchen", der auch heute noch benutzte schmale Verbindungsweg zwischen den Häusern am Hirtenrain über die frühere Schafshöhle (Bergstraße) zum Mühlenteich erinnert noch an jene Zeit, als das Wasser mit zwei, an einem , Joch" hängenden Eimern, vom nächsten Brunnen, vom Bach oder von der Fulda geholt werden mußte.

Interessanter, weil kaum einem Röhrenfurther bekannt, ist die zweite Mühle, eine sogenannte Roßmühle, die von Pferden oder Ochsen über ein Göpelwerk getrieben wurde. In der bereits erwähnten "Taxirung der Häuser zu Röhrenfurth" von 1711 lesen wir: "Clobes Bettenhausen 1 alt Hauß und abseits darahn 1 Neue Scheuer, worin eine Roßmühle" und in einem Zusatz ". . . sagt er muste von der Mühle jährl. 1/2 Rthl. geben und den Ochsen so die Mühle treiben futtern, . . .daß wann der Flachs oder Lein und Bucheneker nicht gerathen, sein Verdienst gar gering daher, vermeint er könte keine Contribution davon geben".

Diese von Ochsen angetriebene „Roßmühle" war also eine Schlag- oder Ölmühle. Sie muß sich tatsächlich nicht rentiert haben, denn in der "Speciale Beschreibung der Dorfschaft Röhrenfurth" von 1744 wird sie nicht erwähnt. Sie taucht aber 80 Jahre später in der "Topographisch-statistische Beschreibung des Ambts Melsungen" von 1820 als „Gipsmühle" wieder auf. Im Jahre 1825 stellte die damalige Besitzerin der Roßmühle, die Witwe des Johannes Schanze, einen Antrag, den von ihr an die Renterei Melsungen zu zahlenden Mühlenzins von 13 Silbergroschen (davor Albus) nicht mehr zu erheben, weil die Mühle "seit längerer Zeit nicht mehr gangbar und abgebrochen" sei. Angetrieben worden war sie bis dahin von einem Pferd. (Die Besitzverhältnisse Bettenhausen-Schanze-Bettenhausen zu klären war nicht Aufgabe dieser Betrachtung. Im Jahre 1801 baute ein Schanze in der Nähe der Kirche ein Wohnhaus, das 1852 Justus Schanze gehörte, später von Bettenhausen erworben und als Scheune umgebaut wurde).
Gipsmühlen gab es damals auch an anderen Orten, denn gebrannter Kalk wurde als Dünger für die Felder und Wiesen verwendet, Kunstdünger gab es ja noch nicht, und der Stalldung reichte auch nicht annähernd aus. Die Besitzer der Gipsmühlen holten den Rohstoff mit ihren Ochsen- oder Pferdefuhrwerken in den Kalkbrennereien bei Morschen, stampften die Gipsbrok-ken in dem früher für das „Schlagen" der Ölfrüchte benötigten Schlaggang und verkauften das Fertigprodukt (heute noch als Düngekalk bekannt) an die Bauern.
Steine, die sich zwischen den Gipsbrocken befanden,transportierten die Röh-renfurther Gipsmüller an die Fulda, zur Befestigung der "Dämme", jenen mit Weidenbüschen bewachsenen Buhnen, zwischen denen im Fuldawasser der Flachs geröstet wurde.
Zu den "Wieren in d'r Dämme" schickte oftmals der Lehrer der nahegelegenen Schule besondere "Sünder", die dort selbst die geeignete Weidengerte abschneiden mußten, mit der sie anschließend den stramm gezogenen Hosenboden versohlt bekamen. Diejenigen, die ein nicht geeignetes „Instrument" brachten, eine zu schwache, dünne Gerte oder sie gar unauffällig einschnitten, damit sie beim ersten Hieb zerbrach, erhielten mit einer anderen, stets vorrätigen, dann die doppelte „Ration".
Wie oft wurde doch auf diese Art und Weise Lesen, Schreiben oder Rechnen „eingebleut". Vielleicht auch der Unterschied zwischen einem Schlaggang und einem Mahlgang in einer Mühle.
Zum Mahlgang gehörten alle Antriebsmechanismen -Räder für die Transmissionsriemen, Zahnräder, Rüttelvorrichtungen, fast ausschließlich aus Holz hergestellt- Siebe, Fallschächte, Mühlsteine, Vorratsbehälter und Abfüllvorrichtungen, kurz alles, was zum Vermählen des Getreides erforderlich war. Die Ölfrüchte, Flachs (Lein) und Bucheckern oder Raps, kann man nicht mahlen, sie müssen zerstampft „geschlagen" werden, um das Öl herauspressen zu können. Das so gewonnene öl, zur Reinigung durch Tücher gedrückt, war Jahrhunderte lang ein sehr wichtiges Nahrungsmittel. Rüb- oder Leinöl, mit dem in jedem Haushalt vorhandenen Fettpinsel übers Brot gestrichen und mit Salz bestreut, war in schlechten Jahren oftmals schon ein Luxus. Auch die Überreste der Ölfrüchte preßte man in besondere Formen zu „Ölkuchen" und verfütterte sie an das Vieh.

 

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