Im Jahre 1576 war auf dem Reichstag zu Regensburg erneut eine sechsjährige Türkensteuer bewilligt worden. Um diese Steuer erheben zu können, vor allem aber um die Untertanen ihrem Vermögen entsprechend zu veranlagen, wurde der "Treisaische Anschlag vom 19ten Decembr. 1576" erlassen.
Steuern aller Art hatte man auch vorher schon erhoben, jedoch hatten sich im Laufe der Jahrzehnte viele Mängel in die "Hebelisten" eingeschlichen, und es war immer wieder zu Beschwerden gekommen. Da gab die Einführung der Türkensteuer Anlaß, neue Verfügungen zu erlassen, welche Güter in welcher Höhe der Steuer zu unterwerfen waren. Dieser Treisaische Anschlag war der "Urahn" der heutigen Kataster (Liegenschaftsbücher, Grundbücher, Steuerbücher usw.), aus denen die Lage, Art, Größe, Verwendung, Belastungen, Steuerwert und der Eigentümer der Grundstücke hervorgehen. Die Türkensteuer war eine, heute würde man sagen, Ergänzungsabgabe auf die zu zahlenden Steuern.
In diesem Anschlag wurde befohlen "alle Haab, Güter, Rent und Zinß, liegend und fahrende, nichts außgenommen..., sie stehen zu den Prelaten, Geistlichen, hohen und niederen Stifften, Compthureien, denen von der Ritterschaft, Universiteten, Clöstern, Reichenhospitalien, oder andern, wer sie seyen... getrewlich, sondern gefehrlichen uffsatz, vermittelst handgegebener Gelübnüs und trew an eydstadt" den Steuereinnehmern gegenüber offenzulegen. Es mußten angegeben werden: "Hauß, Hoff, Gärten, Teich, Acker, Wiesen, eigene Güter, alle und jede Lehensgüter, Vorrath an Frucht, Wein, Bier, alles Rintviehe, Schaffe, Säw und andere Viehe, Silberwerck, Haußgereth nicht zu täglichem brauch, Renthe, Zinse, Auffkommen, Nutzungen, Gelt und Früchtgefell, Kramerwerck, Barschafften, Pfandschafften"... usw.
Das war für damalige Zeit ein erheblicher Arbeitsaufwand für die Ämter, und es dauerte Jahre um Jahre und bedurfte immer neuer "Anschläge" und Erläuterungen, bis die Bestandsaufnahmen gemacht waren.
Jeder Vermögenswert wurde geschätzt, die Häuser nach dem Bauzustand, Äcker und Wiesen nach der Lage und ihrem Ertrag, Vieh nach vorgeschriebenem Steuerwert, Wertsachen nach ihrem Schätzwert usw. Dazu mußten noch die verschiedenen Maße und Gewichte, Münzen und andere Geldwerte auf einen Nenner gebracht werden.
In Röhrenfurth dauerte es immerhin bis zum Jahre 1711/12 bis eine Bestandsaufnahme erstmals erfolgte.
Hier nun die "Taxirung der Häuser zu Röhrenfurth. Geschehen den 6ten Augusti 1711":
JOHANNES NADLER | 130 fl. |
JOHANNES SCHWEINSBERG | 40 fl. |
HEINRICH HOFMANN, herrschaftl. Grebe | 140 fl. |
JACOB LÜCKER | 80 fl. |
MARTIN SCHANTZE | 140 fl. |
CLOBES JUNGE | 100 fl. |
HANß CURT JUNGE | 100 fl. |
CHRISTIAN NADLER | 80 fl. |
HANß JACOB GRIEGER | 60 fl. |
JOHANNES BECKER | 40 fl. |
JOST RUDOLF | 20 fl. |
CHRISTIAN WERNER | 190 fl. |
HANß CURT RANGE Wirth | 100 fl. |
LORENTZ JUNGE | 70 fl. |
LORENTZ SCHANTZE | 90 fl. |
JOHANNES RIß | 30 fl. |
HANß CURT LÖBERS Wittib | 20 fl. |
JOHANNES NÖRPER | 70 fl. |
CLOBES BETTENHAUSEN | 140 fl. |
MARTIN RANGE | 100 fl. |
JOHANNES STEUBE | 60 fl. |
JOHANNES SCHANTZE | 60 fl. |
HEINRICH SCHANTZE | 180 fl. |
HANß CURT HILGENBERG | 200 fl. |
JOHANNES SINNING Müller | 180 fl. |
JOHANNES LÖBER | 60 fl. |
URBAUN MINCKLER | 70 fl. |
JOHANNES HILGENBERG | 140 fl. |
CHRISTIAN BARTHOLMEY | 100 fl. |
JOSEPH HAMMERSCHLAG | 50 fl. |
HANß VALTIN HARTMANN | 80 fl. |
HEINRICH HAGEDORN | 100 fl. |
HANß JOST STEINBACH | 90 fl. |
HANß CURT HARTMANN | 80 fl. |
BALZER PFEIFFER | 80 fl. |
HANß JOST WERNER | 100 fl. |
*Kirchgade im Sinne von Kirchkate (kleines Häuschen). Bis zum Anfang des vorigen Jahrhunderts standen zwischen der Kirche und dem Bach zwei kleine Häuschen.
Aus dem "Mannschafts-Register" (Liste der Einwohner, die in Röhrenfurth Hand-, Spann- oder Gehe-Dienste zu leisten hatten und die Miteigentümer des Gemeinnutzens waren. Gemeinnutzen = heutige Interessenten-Genossenschaft) entnehmen wir folgende Namen:
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In einem Nachsatz heißt es weiter: Vorspezifizierte Mannschaft hat auch die Hute, einem wie dem anderen gegeben, folgl. aber die Gemeingebräuche nicht einer wie der andere, sondern gar ungleich.
Von den Hand- und Gehediensten frei waren: Dietrich Pfannkuche, Johannes Hofmann, Christian Werner, Heinrich Schantze, Hanß Curt Hilgenberg, Martin Range, Johannes Steube, Johannes Schantze, Hanß Curt Junge und Christian Nadler.
Von den Hausbesitzern mußten dagegen Hand- und Gehedienste leisten: Heinrich Hagedorn und Hanß Jost Steinbach.
Aus diesem Röhrenfurther Steuerstock von 1712 erfahren wir auch, daß Baltzer Pfeiffer Schmied war, Hanß Curt Hartmann war Wagner, Hanß Valtin Hartmann Brechenmacher (er stellte Flachsbrechen her), Christian Bartholmey Schneider, Martin Range Futterschnitter, Johannes Hofmeister, Jost Rudolf, Hanß Jost Steinbach und Heinrich Hagedorn waren Tagelöhner, die beiden letzten auch noch "sagenschnitter", sie sägten Holz (Schneidemühle). Als Leineweber werden genannt: Johannes Löber, Johannes Riß, Hanß Jacob Grieger, Johannes Becker, Lorentz Junge, Werner Steube und Jacob Lücker, der auch noch mit Garn und Holz handelte. "Schiffsleute", die ein Fuldaschiff besaßen und dafür monatlich je 1 Alb. Steuern zahlen mußten, waren Hanß Curt Range und Heinrich Hofmann, der herrschaftliche (landgräfliche) Grebe.
Die "Taxirung" der Häuser, der Grundstücke, des Gemeinnutzens, der Gemeindegüter, der Handwerker, sogar der Tagelöhner hatte für "die Adelige Dorfschaft Röhrenfurth" ein "Steuercapital" von 9.658 fl. (Gulden, Florentiner Gulden oder nur Florentiner genannt, daher die Abkürzung fl.) ergeben. Auf 100 fl. Steuercapital waren monatlich 4 Alb. 8 Hlr. "Contribution" zu zahlen, was für unser Dorf monatlich 13 Reichsthaler, 18 Albus und 10 Heller ausmachte, die der "Herrschaftliche Kriegs-Pfennigmeister" Fuhrhans zu erheben am 6. Oktobris 1711 dienstlich verfügt hatte. Von den anderen Adelsdörfern des Amtes Milsungen wurden erhoben: Malsfeld: 20 Rthl., 16 Alb., 7 HL, Elfershausen: 10 RhtL, 5 Alb., 1 Hlr., Grebenau 8 RhtL, 24 Alb., 3 Hlr.
Erwähnenswert wären aus diesem Steuerstock noch die "Gemeingebräuche der Dorfschaft", das waren Wiesen, Hüten, Ländereien, Triescher, deren Nutzen den Einwohnern insgesamt zustand. Da heißt es: 10 Ackr. 7 Ruthen "das Wertchen gut" ist unter die Einwohner verteilt; 14 Ackr. 4 r. "Auf der Gemeine" wird zur Hude gebraucht, ist auch theils unter die Einwohner verteilt; 108 1/2 Ackr. 6 r. "Die Breidenbachstriescher" werden zur Hude gebraucht, ist auch theils unter die Einwohner verteilt; 42 Ackr... der Kriegenberg, ein hoher mit Buchen bewachsener berg" war Hute. Die Alten- und die Neuen Garten waren ebenfalls "Gemeingebrauch" und unter die Einwohner verteilt.
Einen genaueren Einblick in die bäuerliche Struktur unseres Dorfes gewährt uns das "Lager-, Stück- und Steuerbuch der Dorfschaft Röhrenfurth Ambts Milsungen Anno 1744". In 41 Paragraphen wird beschrieben die geografische Lage des Dorfes, welche Güter und Gerechtsame denen von Riedesel zustehen, die Kirche und Schule, Besoldung der Pfarrer und Lehrer, die "Gemeindsgebräuche" (Gemeindegüter und Gemeinnutzen), die Huterechte, der Wert und die Anzahl der Häuser, die Wirtschaften und die Brandweinsblasen, was auf den Äckern ausgesät und geerntet wurde, was an Zehnten und Abgaben an wen zu entrichten war, welche Dienste die Einwohner denen von Riedesel zu leisten hatten und schließlich noch, wem die Gerichtsbarkeit zustand.
Da erfahren wir, daß die Fulda "vermittelst einer fliegenden Flöße paßiret" wird und die Fähre an Hans Curth Nadeler für 32 Rthl. jährlich verpachtet war (Näheres im Kapitel: "Die alte Poststraße"...), daß die von Riedesel zu Ludwigseck an Eigentum nur "eine Waldung zwischen der Mülmische und dem Hochfelde, ein Hauß Hofreide Scheur und Stallung die Schäferey genannt" sowie ein Stück Fischwasser mit dazu gehörigen Wiesen (Herrenwiese) besaßen. Die Waldung bestand aus meist jungen Buchen; die Röhrenfurther hatten daraus jährlich 8 bis 10 Klafter Holz in die Vogtei nach Melsungen zu fahren. Die "Schäferey" war seit 1742 an Conrad Nadeler verpachtet, der dafür "jährlich an Zinß davon 16 Rthl. 28 Alb. und alle 9 Jahre vor die Leyhe 16 Rthl. 28 Alb. und 1 Rthl. schreibe-Gebührn" zu zahlen hatte. Auch durfte er "ein pfirch Schaafe (200 Stück) halten", wofür er denen von Riedesel jährlich 2 Trifthämmel liefern mußte.
Das Fischwasser (Fulda) war mit je ca. 3/4 Acker Land und Wiese an Hans Curth Range verpachtet, der dafür jährl. 5 Rthl. 10 Alb. zu zahlen hatte. Ihr Bau- und Brennholz bezog die Gemeinde "gegen gewöhnliches Forstgeld aus herrschaftlichem Riedforst". Ein Kubikschuh (42 Kubikschuh = 1 cbm) Bauholz kostete 1 Alb., der Kubikmeter also 42 Alb. = 1 Rthl. 10 Alb., die Klafter (rd. 3,5 Raummeter) Brennholz 15 Alb., der "bauer so geschirre hat" bekam 2 Klafter, der Ködder (Hausbesitzer von "Kate" ohne Ackerland) jedoch nur 1 Klafter. "Die Brandweins-Brenner aber müßen die Ctr. (Klafter) mit 26 Alb. verforsten".
Die Schweine durften zur "Maste" in die herrschaftliche Waldung getrieben werden, gegen Entrichtung des üblichen Mastegeldes. Die "Hud- und Weyd-Gerechtigkeit" (das Hute- und Weiderecht für das übrige Vieh) hatte die Gemeinde ebenfalls im herrschaftlichen Riedforst. (Näheres hierüber siehe: "Die alten Röhrenfurther Huterechte...")
Auf 14 Bauernhöfen wurden 57 Kühe, 15 Pferde, 40 Ochsen (Zugochsen) und 350 Schafe gehalten (der Pferch der Schäferei mit 200 Schafen und ein sogenannter Bauernpferch, der nur 150 Schafe umfassen durfte). Ein Absatz muß zur Charakterisierung der landwirtschaftlichen Situation besonders hervorgehoben werden: "Vor ihre Küh haben sie zwar anreichiges gefütter müßten aber in Angehung ihrer schlechten Länderey noch mehr Vieh halten wenn sie fütter dafür hätten". Dieses Dilemma, in dem sich die Röhrenfurther Bauern befanden, wird im Jahre 1851 fast gleichlautend geschildert. Es löste sich erst mit der Einführung des Kleeanbaues, der Kartoffel und später mit der Anwendung des Kunstdüngers.
Anno 1744 wurden 14 Hofreiten und 37 andere Häuser sowie 1 Mühle gezählt, 30 Jahre zuvor waren 34 Häuser und die beiden Katen vor der Kirche steuerpflichtig. Bei etwa 6 "Seelen" pro Haus, hatte Röhrenfurth 1712 etwas mehr als 200 Einwohner, 1744 rund 310. Die Häuser "sind meist alt und baufällig... und ist das Beste werth 200 Rthl." schreibt der damalige "Beambte", der diese "Speciale Beschreibung der Dorfschaft Röhrenfurth" erstellte. An Handwerkern gab es: 1 Schmied, 1 Wagner, 3 Zimmerleute, 1 Schneider, Linnweber, Taglöhner, 1 Kuhhirten, und außerdem 3 Wirte. An herrschaftlichen (landgräflichen) Bediensteten hatte die Gemeinde 1 Forstläufer (Forstaufseher), 1 Zöllner (er erhob den Brückenzoll), 1 herrschaftl. Greben (Bürgermeister), 1 Vorsteher (1. Beigeordneter, Stellvertreter des Bürgermeisters), 2 Ausschößer und 2 Nebenmänner (Beisitzer und Vertreter für die "Niedere Gerichtsbarkeit") und 1/3 Landgrenadier (kein Wundermensch, sondern ein Drittel der Besoldung für den Landgendarmen) zu halten. Außerdem wird noch der "Riedesel Grebe" genannt. Von den Ländereien heißt es: "Die innere Güte und Qualität ihrer Länderey nun betr. so finden sich wohl einige Äcker so in der Nähe der Dorfschaft liegen, und welche sie bishero in guter Cultur erhalten von ziemlicher Qualität. Die meisten aber sind stein und sandicht... Die Wiesen können sie nicht wäßern und haben meist einen trockenen mooßigten Grund". Auch war der Wildfraß sehr stark, und sie mußten "4 Feldhüter vor sich allein und 2 mit den Schwarzenbergern... zusammen halten". Die Feldhüter erhielten für ihre Arbeit von jedem Acker im Winterfelde 2 Garben und von je 3 Acker im Sommerfelde 2 Garben, jeweils Gerste und Hafer, also keine Brotfrucht.
Über den Zehnten, die Abgaben und Dienste, die die Einwohner zu leisten hatten, sowie über die Landwirtschaft wird in besonderen Kapiteln berichtet. Von den vorgenannten 14 Hofreiten waren 13 denen von Riedesel und eine (auf der linken Seite der Fulda) dem Landgrafen dienstpflichtig. Die Gemarkung Röhrenfurth enthielt damals 1032 7/16 Acker 2 13/16 Ruthen steuerpflichtige Äcker, Wiesen, Hüten und Triescher, 191 3/16 Acker 9 1/2 Ruthen Gemeindegüter, 79 3/8 Acker 12 1/8 Ruthen Gemeinnutzen (Interessenten), insgesamt 1303 1/8 Acker 5 11/16 Ruthen. Hinzu kamen noch außerhalb der Gemarkungsgrenzen liegende 12 1/2 Acker Waldwiesen (Hüneburgswiese und Herrschaftswiese, Geldkaute).